Audiowalk – Kleine Zukunft

Du bist die Utopie!

10. – 28. Oktober 2013

Konzept, Regie und Realisation: Stefanie Bischoff und Christian Weiß

Projektkoordination: Sonja Ahola / Assistenz: Thomas Malorny

Für das Projekt KLEINE ZUKUNFT stand für uns der Ansatz der künstlerischen Recherche im Vordergrund. Das Theater kann forschen und nach Erkenntnis streben und trotzdem seine künstlerische Kraft behalten. Es stellt ein hervorragendes Instrument zur experimentellen Untersuchung unserer Konstruktion der Wirklichkeit dar.

Unsere Arbeit basiert hauptsächlich auf Interviews, die wir mit den Bewohnern der Stadt führen. In Salzgitter stellte sich schnell heraus, dass es nicht um die großen, weitgreifenden Utopien ging, über die die Menschen mit uns sprachen, sondern die kleinen Veränderungen im eigenen Lebensumfeld; das persönliche Engagement. Die Losung hieß: Die Utopie bist du! Und für uns kristallisierte sich dieser Gedanke immer mehr als Kern unserer Arbeit in Salzgitter heraus.

Zu Beginn unserer Recherche organisierten wir für Schüler einer Grundschule und einer 10. Klasse eines Gymnasiums, jeweils einen Workshop zum Thema „Wie nehme ich die Stadt in der ich lebe wahr und was wünsche ich mir für die Zukunft?“ Hierzu forderten wir die Kinder und Jugendlichen auf, die Orte auf einem Stadtplan zu markieren, an denen sie sich gerne oder äußerst ungern aufhalten. Bereits hierbei fiel auf, dass es gerade bei den Kindern viele Orte gab, die schön waren, weil sie etwas Persönliches damit verbanden: hier wohnten z.B. der beste Freund oder die Großeltern. Auch im Rahmen unserer späteren Interviews stießen wir immer wieder auf den Umstand, dass sich die Menschen, in dieser Stadt, die doch so gar kein Image hat, ihr eigenes kleines „Paradies“ schaffen und Utopien im Kleinen verwirklichten. Von der Politik, so stellten wir schnell ernüchternd fest, braucht in Salzgitter niemand etwas zu erwarten, was die innovative Zukunftsgestaltung dieser Stadt betrifft. Eine sehr ernüchternde Feststellung, wenn wir nicht festgestellt hätten, dass es viele kleine utopische Keimzellen in dieser Stadt gibt, die das System durchlöchern und zum Einsturz bringen könnten. Auch eine Utopie.

Zumindest schien es uns gelungen zu sein, in unserem Hörgang etwas von diesem „Geist“ zu vermitteln, schaut man sich die vielen überschwänglichen Kommentare an, die die Besucher nach den Aufführungen zu Papier brachten. Für viele Besucher haben wir die Möglichkeit geschaffen, Salzgitter aus einer neuen Perspektive zu sehen und sie zu neuen Erkenntnissen über IHRE Stadt zu führen. An der Grenze zwischen sinnlicher und rationaler Erkenntnis entsteht Wissen – und nicht nur Kinder lernen am meisten durch Spielen!

„Die Kinder kennen solche Gegenräume, solche lokalisierten Utopien, sehr genau. Das ist natürlich der Garten. Das ist der Dachboden oder eher noch das Indianerzelt auf dem Dachboden. Und das ist – am Donnerstagnachmittag – das Ehebett der Eltern. Auf diesem Bett entdeckt man das Meer, weil man zwischen den Decken schwimmen kann. Aber das Bett ist auch der Himmel, weil man auf den Federn springen kann. Es ist der Wald, weil man sich darin versteckt. Es ist die Nacht, weil man unter den Laken zum Geist wird.“ (Michel Foucault: Die Heterotopien. Der utopische Körper. Berlin 2013, S 10).

Gefördert von ‚Auf Probe – Alltagsutopien für das Braunschweiger Land‘ – ein Gemeinschaftsprojekt von LOT-Theater und der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig.